KV Würzburg - Stadt

„Von geschlechtsoffener Erziehung profitieren alle Kinder.“

Puppen oder Autos? Mädchen oder Junge? Wieso eigentlich „oder“? Warum nicht einfach alles für alle?

Diese Fragen diskutierten rund 50 Personen bei einem Online-Vortragsabend, den der Arbeitskreis „Bildung und Soziales“ der Würzburger Grünen veranstaltet hatte. Ravna Marin Siever, Autorx des Buches „Was wird es denn? Ein Kind! Wie geschlechtsoffene Erziehung gelingt“, führte versiert in das Thema „Geschlechtersensible Kindererziehung“ ein. Siever selbst ist nicht binär – bzw. „πnär“ in der Selbtbezeichnung – und berichtete von eigenen Erfahrungen als Elternteil von drei Kindern.

Fortpflanzungsorgane – früher (und heute) die Basis für die Zuweisung des Geschlechts Frau oder Mann – sagten nicht zwingend etwas darüber aus, wie sich ein Mensch fühle und welche Geschlechtsidentität sich entwickle. Die eigene Geschlechtsidentität forme sich bei Kindern zwischen zwei und sieben Jahren. Allerdings bekämen Kinder schon vor und mit der Geburt die Wirkmacht männlicher und weiblicher Stereotype zu spüren: rosa oder hellblau, Kleid oder Hose, Puppe oder Auto, Schön-sein oder Stark-sein. Siever warb für eine geschlechtsoffene Erziehung. Denn so könnten Kinder sich frei entfalten – anstatt abgelehnt zu werden, weil sie Erwartungen von außen, was sie als Mädchen oder Junge anziehen oder wie sie sich verhalten sollten, nicht erfüllen. Ein wichtiger Aspekt sei laut Siever Sprache, denn durch sie gelinge Inklusion. Statt aufgrund optischer Erscheinung oder Verhaltensweisen von Menschen auf deren Geschlecht zu schließen und dieses mit den Bezeichnungen „Mann“, „Frau“ bzw. „Mädchen“, „Junge“ festzulegen, hielten Begriffe wie „Kind“, „Person“, „Mensch“ die geschlechtliche Identität offen und grenzten Personen außerhalb dieser binären Einordnung nicht aus. Inzwischen gebe es auch viele Kinderbücher, die traditionelle Rollendarstellungen aufbrechen und Vielfalt darstellen. In KiTas könne das Spielzeug so angeordnet werden, dass alles alle zum kreativen Spielen einlädt und Kinder sich ausprobieren können, ohne sich „falsch“ zu fühlen, wenn eigene Interessen von der äußeren Geschlechtszuschreibung abweichen.

Hans-Peter Breuner, auf Gender- und Sexualpädagogik spezialisierter Fachberater bei pro familia Würzburg stellte in seinem Vortrag ebenfalls die Bedeutung von geschlechtssensibler Erziehung heraus. Der Gesprächsbedarf bei Kindern, Jugendlichen, aber auch Eltern und Erziehenden sei riesig und sexualpädagogische Angebote wichtig. Die sexualpädagogische Arbeit in Schulklassen finde in zwei Gruppen (Jungs und Mädchen) getrennt statt. Eindrücklich schilderte Herr Breuner seine Erfahrung zur Beschränkung durch Rollenvorstellungen, die er z. B. in der Arbeit mit „Jungsgruppen“ immer wieder erlebe. In der Gruppe müssten manche Jugendliche sich als „harte Macker“ darstellen und könnten erst in einer Einzelsprechstunde Unsicherheiten zeigen.

Den großen Gesprächsbedarf spiegelte auch der lebhafte Austausch, der sich im Anschluss an die beiden Impulsvorträge zwischen den rund 50 Teilnehmenden ergab. Viele Buchtipps wurden zwischen Teilnehmenden und den Referent*innen ausgetauscht. Kerstin Celina, MdL für die Grünen, betonte ergänzend zur Bedeutung von Sprache die Macht von Bildern, um Vielfalt abzubilden und Rollenvorbilder für Kinder und Jugendliche zu schaffen.

Zudem sei die Bereitschaft des erziehenden Fachpersonals entscheidend, das eigene Verhalten im Hinblick auf die Genderthematik zu reflektieren, unterstrich Janina Petermann, Fachberaterin im Bundesproramm „Sprach-Kitas“ aus dem AWO Bezirksverband Unterfranken. Denn verpflichtende Vorgaben, sich damit auseinanderzusetzen, gebe es für Kitas nicht. Mit dem Label „Sprach-Kita“ ist auch eine Stärkung der inklusiven Pädagogik verbunden, die Sprachsensibilität im Hinblick auf Geschlechtsidentitäten einschließt. Kitas, die an dem Bundesprogramm teilnehmen, bekommen professionelle Beratung und Begleitung in ihrem Entwicklungsprozess hin zu einer geschlechtssensiblen Erziehung. Von der alle Kinder profitieren – genauso wie die Erwachsenen!

Materialien gibt es darüber hinaus für alle interessierten Kindertageseinrichtungen: In der Stadtbibliothek Würzburg kann der Medienkoffer „Klischeefreie Vielfalt“ ausgeliehen werden.

Die Mitglieder des Grünen Arbeitskreises freuten sich über das Interesse und die rege Teilnahme und planen bereits eine weitere Veranstaltung. Die wird sich um Geschlechterstereotypen und deren Auswirkung auf (häusliche) Gewalt sowie Schutz- und Beratungsmöglichkeiten drehen. Der Termin wird noch bekanntgegeben.

 

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Medienkoffer „Klischeefreie Vielfalt und Diversität in Familien und Lebensweisen“

Enthält 30 Bilderbücher, 10 Fachbücher, ein Puzzle, ein Kamishibai-Kartenset und eine Folkmanis-Handpuppe „Schnecke“. Kann kostenfrei für 4 Wochen ausgeliehen werden. Die Reservierung kann telefonisch erfolgen: Tel: 0931 37 24 44. Ein Kooperationsprojekt der Stadtbücherei Würzburg sowie der Gleichstellungsstelle für Männer und Frauen und dem Sachgebiet Kindertagesbetreuung des Jugend-, Familien- und Sozialreferats der Stadt Würzburg.


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